by Claudia Sternberg
Based on an article first published in Gemeindebrief of Deutsche Kirche in Nordengland & East Midlands (March-May 2018).

Water colour drawing of WWI internment camp Lofthouse Park near Wakefield by internee and Franconian painter Max Schnös, 1915 (Bechtel Family Archive).
Offene Grenzen und Mobilität, Unternehmens- und Geschäftsbeziehungen, Bildungs- und Kulturaustausch, gemischte Familien und Mehrsprachigkeit – all dies sind keine Phänomene der Integration Europas nach dem Zweiten Weltkrieg und der Öffnung des Eisernen Vorhangs. Bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert kamen viele Deutsche nach Großbritannien, wobei nicht nur die Metropole London, sondern auch der wirtschaftlich florierende Norden Englands für die Migranten attraktiv war. Professoren und Schweinemetzger, Friseure und Musiker, Ingenieure und Kellner, Hauspersonal und Händler ließen sich mit ihren Familien nieder oder gründeten einen neuen Hausstand; nachfolgende Generationen wuchsen heran.
Es war der Erste Weltkrieg, der diese Normalität beendete. Eingebürgerte Einwanderer und ihre Nachfahren bekamen das deutschfeindliche Klima im Alltag zu spüren. Einige zogen sich zurück oder beteuerten öffentlich ihre Loyalität; andere erlebten Übergriffe auf ihr Hab und Gut. Für nicht Naturalisierte war die Situation noch schwieriger: Männer wehrpflichtigen Alters wurden als sogenannte enemy aliens (Feindstaatenausländer) registriert und unterlagen Mobilitätsbeschränkungen. Es folgte schließlich die Internierung und in einigen Fällen die Repatriierung von Familienangehörigen. Von den Kriegsregelungen betroffen waren auch britische Frauen deutscher Internierter, die nach geltendem Recht die Nationalität der Ehemanns angenommen hatten. Zu den Lagern für deutsche, österreichisch-ungarische und türkische Zivilisten gehörten u.a. Knockaloe und Douglas auf der Isle of Man, Stobs in Schottland, Handforth in Cheshire, Stratford und Alexandra Palace in London, aber auch Ahmednagar in Indien oder Fort Napier in Südafrika. Nach Kriegsende wurden die in Großbritannien internierten Deutschen in großer Zahl ausgewiesen, wobei jedoch einige der Männer im Laufe der 1920er Jahre wieder zurückkehrten.Obwohl damals – wie heute – mehr Deutsche in Großbritannien ansässig waren als umgekehrt, hatte auch das deutsche Kaiserreich angesichts des Kriegsgeschehens und zunehmender Ressentiments angeordnet, potentiell kriegstaugliche ‚feindliche Ausländer‘ dauerhaft festzusetzen. Für sich in Deutschland befindliche Männer mit britischer Staatsangehörigkeit – ob ‘deutschgesinnt’, freundschaftlich, familiär oder geschäftlich verbunden oder nur auf der Durchreise – wurde die Trabrennbahn Ruhleben bei Spandau zum zentralen Internierungslager umfunktioniert.
Die Ereignisse verdeutlichen, wie in Kriegs- und Konfliktzeiten ein gesellschaftliches Miteinander durch Wort und Tat in ‘Eigenes’ und ‘Fremdes’ auseinanderdividiert wurde und welche Folgen dies hatte. Öffentlicher, rechtlicher und politischer Wille verhindern im Europa von heute derartige Zuspitzungen. Dennoch geben in der Debatte um Brexit der beiläufige Umgang mit Begriffen wie war und enemy und die Rückkehr von Vokabeln wie registration oder deportation Anlass, sich dieser gemeinsamen Vergangenheit zu erinnern.
In dem von der University of Leeds initiierten deutsch-britischen Gemeinschaftsprojekt Am falschen Ort zur falschen Zeit wurde die Geschichte eines vergessenen Internierungslagers in Yorkshire aufgearbeitet. Hierzu wird am 28. April 2018 um 11 Uhr in der Wakefield Library die Ausstellung Pleasure, Privilege, Privations: Lofthouse Park near Wakefield, 1908-1922 eröffnet (Wakefield One, Burton Street, Wakefield, WF1 2DD). Teil des Programms ist zudem eine Visualisierung von Family Narratives of Being German in Yorkshire, die auf Gesprächen mit Familien von heute und Nachkommen deutscher Einwanderer basiert. Das Engländerlager Ruhleben steht im Mittelpunkt der Ausstellung Nachbarn hinter Stacheldraht, die ab dem 3. Mai 2018 im Stadtgeschichtlichen Museum Spandau in der Spandauer Zitadelle zu sehen sein wird.

Collage ‘Family Narrative of Being German in Yorkshire’ by Louise Atkinson, 2018.